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Fehling-Test für reduzierende Zucker - In der organischen Chemie ist die Fehling-Lösung ein chemisches Reagenz, das zur Unterscheidung von wasserlöslichen Kohlenhydrat- und Ketonfunktionen (>C=O) und als Test für reduzierende und nicht-reduzierende Zucker verwendet wird, ergänzend zum Tollens-Reagenztest. - Die von Hermann Fehling 1848 veröffentlichte Nachweisreaktion ermöglichte die quantitative Bestimmung des Zuckers im Urin durch Titration, was für die Diagnose von Diabetes wichtig war. Früher war dies nur qualitativ durch einen einfachen Geschmacks- oder Gärungstest möglich, später auch quantitativ durch Polarimetrie. Obwohl der Fehling-Test seit vielen Jahren fester Bestandteil der Schulchemie ist, ist er in seiner Bedeutung umstritten: Die im Chemieunterricht übliche Erklärung des positiven Fehling-Tests für reduzierende Zucker - Oxidation der Aldehydgruppe zur Carboxygruppe - widerspricht der Beobachtung, dass Fructose schneller reagiert als Glucose und Mannose. Das wichtigste Oxidationsprodukt bei der Reaktion einer Kupfer(II)-Salzlösung mit Glucose ist nicht die entsprechende Gluconsäure oder das Gluconat, sondern Glucoson (2-Ketoglucose). Letzteres wird unter den Reaktionsbedingungen durch Spaltung der C-C-Bindung weiter oxidiert. Diese Tatsache ist seit fast 90 Jahren bekannt, wurde aber in Lehrbüchern und in der Literatur nicht anerkannt. In Schülerexperimenten ist die sehr ähnliche Benedict-Reaktion der Fehling-Reaktion vorzuziehen, denn es ist klar, dass auch bei Verwendung weniger gefährlicher Chemikalien (Natriumcarbonat statt Natriumhydroxid) die gleichen Ergebnisse erzielt werden. - Fehling-Reaktion - Zur Durchführung des Fehling-Tests werden zwei Lösungen als Nachweisreagenzien verwendet, die nach Hermann Fehling "Fehling I" und "Fehling II" genannt werden. - Die hellblaue Fehling I-Lösung ist eine verdünnte Lösung von Kupfer(II)-sulfat. - Die farblose Fehling-II-Lösung ist eine alkalische Lösung von Kaliumnatriumtartrat-Tetrahydrat. - Nach der Vereinigung gleicher Volumina beider Lösungen weist das Fehlingsche Reagenz eine charakteristische dunkelblaue Farbe auf, die auf die Komplexierung der Cu(II)-Ionen mit den Tartrat-Ionen zurückzuführen ist. Tartrat ist in diesem Fall ein Komplexbildner: Aufgrund der hohen Stabilität des Komplexes wird das Löslichkeitsprodukt von Kupfer(II)-hydroxid nicht mehr erreicht. Wären die Kupfer(II)-Ionen nicht komplexiert, würden die OH--Ionen mit den Kupfer(II)-Ionen reagieren und das schwer lösliche blaue Kupfer(II)-Hydroxid Cu(OH)2 bilden, und die gewünschte Nachweisreaktion könnte nicht mehr stattfinden. Wie die kristallografische Charakterisierung verschiedener Kupfer(II)-tartrate zeigt, ist die strukturelle Vielfalt groß und es kommen auch mehrere Spezies mit unterschiedlichen Stöchiometrien in Lösung vor. - 2[C4H4O6]2- + Cu2+ + 2OH- [Cu(C4H3O6)2]4- + H2O - Der Zusatz von Glycerin vor dem Auffüllen mit Wasser verlängert die Haltbarkeit einer selbst hergestellten Lösung. - Nach Zugabe der Prüfsubstanz wird die Lösung erhitzt. Dadurch wird die Nachweisreaktion nach der RGT-Regel beschleunigt. Monosaccharide werden in ihrer offenkettigen Form nachgewiesen, da hier die Oxidierbarkeit der Aldehydgruppe ausgenutzt wird, die in den Ringformen als Halbacetal gebunden ist. Die offenkettige Form befindet sich im chemischen Gleichgewicht mit den verschiedenen Ringformen. Bei Glucose in wässriger Lösung beispielsweise liegen weniger als 0,1 % der Zuckermoleküle in der offenkettigen Form vor. - Die Kupfer(II)-Ionen werden dann zunächst zu gelbem Kupfer(I)-hydroxid (CuOH) reduziert und dann zu Kupfer(I)-oxid (Cu2O) dehydriert, das als rotbrauner Niederschlag ausfällt. Die Aldehyde werden dabei zu Carbonsäuren oxidiert, so die alte Lesart. Es überrascht nicht, dass das Gleichgewicht bei dieser Reaktion aufgrund der Bildung eines festen Produkts fast vollständig auf der Seite der Carbonsäure liegt. Infolgedessen werden andere Zuckermoleküle in die offenkettige Form umgewandelt, bis die Reaktion praktisch abgeschlossen ist. - α,β-Glucose (Halbacetal) offene Form (Aldehyd) (Oxidation) Gluconsäure - Wie bereits in der Geschichte der Fehlingschen Probe beschrieben, entsteht nach heutigem Kenntnisstand nicht Gluconsäure, sondern Glucoson (2-Ketoglucose). Letzteres wird unter den Reaktionsbedingungen durch Spaltung der C-C-Bindung weiter oxidiert. - Bei längerem Erhitzen oder mit einfacheren Aldehyden wie Formaldehyd oder Acetaldehyd kann sich auch elementares Kupfer bilden. - Redoxreaktion - Da die Oxidation der Probensubstanz durch die Reduktion der Kupfer(II)-Ionen erfolgt, kann die Gesamtreaktion wie bei allen Redoxreaktionen in eine Oxidations- und eine Reduktionsreaktion aufgeteilt werden. Der Einfachheit halber wird im folgenden Beispiel nicht berücksichtigt, dass die Kupferionen tatsächlich in einem Komplex mit Tartrat-Ionen (Kupfer-Tartrat) vorliegen: - Oxidation: - R-CHO +2OH- R-COOH + H2O +2e- - Eine Aldehydgruppe wird in der Base zu einer Carbonsäure oxidiert. - R-COOH + OH- R-COO- + H2O - Da die Reaktion im alkalischen Milieu abläuft, wird die entstehende Carboxygruppe durch Hydroxidionen deprotoniert und bildet die Carboxylatgruppe im Sinne einer Säure-Base-Reaktion. - Verkleinerung: - 2Cu2+ + 2OH- +2e- 2CuOH Cu2O + H2O - Kupfer(II)-Ionen und Hydroxid-Ionen reagieren zu Kupfer(I)-Hydroxid, das anschließend zu Kupfer(I)-Oxid dehydriert. - Red-Ox-Reaktion: - 2Cu2++R-CHO + 5OH- Cu2O + R-COO- + 3H2O - Kupfer(II)-Ionen und Aldehydgruppen reagieren in einer basischen Umgebung zu Kupfer(I)-oxid, Carboxylaten und Wasser. - Grenzwerte - Ketone werden im Allgemeinen nicht durch die Fehlingsche Lösung oxidiert, so dass es möglich ist, zwischen Aldehyd und Keton zu unterscheiden. Dies gilt nicht für α-Hydroxyketone, z. B. Ketozucker wie Fruktose. Bei diesen befinden sich eine oder mehrere OH-Gruppen in unmittelbarer Nähe der Carbonylgruppe des Ketons: Diese wirken durch die in alkalischer Lösung gebildeten Endiolat-Ionen (vgl. Ketol-Endiol-Tautomerie) ebenso reduzierend wie "echte" Aldehyde und führen damit auch zu der oben beschriebenen Kupfer(I)-oxid-Ausfällung mit Fehlingscher Lösung]. - Außerdem folgt die Fehling-Reaktion mit reduzierenden Zuckern in der Regel nicht der oben gezeigten einfachen Stöchiometrie, da hier Oxidationsprodukte gebildet werden, die ihrerseits zusätzlich reduzierend wirken (Ketoaldehyde, Hydroxy-Diketone sowie Produkte von Retro-Aldol-Reaktionen), so dass am Ende ein Gemisch verschiedener Reaktionsprodukte vorliegt. - Im Fall von Saccharose ist die Fehling-Reaktion negativ, da die Aldehydgruppe aufgrund der 1,2-glykosidischen Bindung blockiert ist und daher keine reduzierende Wirkung entfalten kann. - In diesem Zusammenhang wurde die Fehling-Reaktion - wie auch andere reduktometrische Methoden - in der Routineanalytik durch enzymatische Methoden verdrängt, die ebenfalls eine lineare Quantifizierung ermöglichen.